Malerei und Skulpturen aus Papier
Das hat schon etwas Berückendes. Ein kräftiges Blau - unmöglich, dabei nicht an Ives Klein zu denken – schwankend zwischen Weltsucht und Weltflucht, zwischen Ferne und Tiefe, zwischen außerirdischen Sphären und hermetischen Barrieren. Doch während Klein sich auf die immanente Farbwirkung von Blau verließ, unterlegt Helga von Hofe ihre Malerei mit einer Dimension imaginierter Räumlichkeit. Ein weißer Ring, der einen inneren Kern zu schützen oder aufzubrechen scheint, wird über eine Folge von Bildern herangezoomt. So wachsen sie zu einer Serie zusammen, die wie ein Film vorüberzieht, bei dem die Kamera am Ort verharrt und alle Dynamik aus dem Wechsel von Nähe und Ferne stammt. Die vermeintlich freie Komposition verdankt sich einem genauen Wissen über Farbwirkung. Zwischen Weiß und Blau baut sich eine Spannung auf von näher kommenden und sich entfernenden Farbfeldern, die eine vibrierende Komplexität der bildlichen Erscheinung erzeugt.
Die programmatische Konzentration der Malerin Helga von Hofe, aus Deutschland stammend, aber seit Langem schon in Kaltern zuhause, auf jeweils eine Farbe hat viel mit der Geschichte der Monochromie zu tun. Malewitsch galt das Weiß als das Universum, zu dem man gelangen könne, wenn man das Blau des Himmels durchstoße. Die Sehnsucht nach einem ganz und gar Ungreifbaren, nach dem vom Menschen Entzweiten, jene unauflösbare Ambivalenz in der Haltung zur Wirklichkeit seit der Moderne, steckt tief auch in der Kunst von Helga von Hofe drinnen.
Sie war immer eine Künstlerin, die intensiv vom Material aus dachte. Selten geht es alleine um das Sehen in Distanz, sondern um die Fülle der sinnlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten.
Die Papierskulpturen spielen mit der Spannung von Innen und Außen. Sie sehen aus wie Wespennester, die ein zur Monochromie bekehrter Pop-Art-Künstler bearbeitet hat. Aus nepalesischem Papier, das durch den Einsatz von Farbe hart wird, schichtet sie ruppige Gebilde zu raumgreifenden Strukturen übereinander. Es geht um eine Geste des Eindringens in einen Körperinnenraum, aus dem die Künstlerin eine Plastik gewinnt. Es sind Vexierbilder der Emotionen, eine Übergangszone zwischen Außenwelt und Körperinnerem. Die Papierschichten sind Hautschichten. Verletzlich, vergänglich, und sie stellen eine Frage mit aller Vehemenz: Was bedeutet das Innen? Schutz, Intimität, Käfig?
Heinrich Schwazer